Warum „Pumper“ ihr Potenzial verfeuern oder: Clevere Kerle* machen Mobility
Lesezeit: 3 Minuten
Welches Bild hast du im Kopf, wenn du die Begriffe Mobility und Stretching hörst? Sicher denkst du dabei eher an Frauenfitness- oder Rehasportgruppen als an waschechte Kraftsportler, die sich an der Langhantel auf ihr nächstes Level pushen. Was das Ganze mit der Überschrift zu tun hat, warum Mobility in keinem Trainingsplan fehlen sollte und auf welchen Ebenen du sonst noch davon profitieren kannst, erfährst du in diesem Beitrag.
Beweglichkeit = Dehnfähigkeit + Gelenkigkeit
Vereinfacht gesprochen (und je nach Definition) liegt der Fokus bei der Dehnbarkeit auf den Muskeln, Faszien, Sehnen, Kapseln und Bändern. Die Gelenkigkeit dagegen bezieht sich auf die anatomischen (knöchernen) Grundvoraussetzungen des Gelenks. Die Kombination beider ergibt die Beweglichkeit und somit den Bewegungsspielraum um ein Gelenk. Weitere Einflussfaktoren sind z.B. Genetik, Geschlecht, Alter, Gesundheits- und Trainingszustand oder die Sportart(-anforderungen). Diese sind bei der individuellen Zielstellung zu berücksichtigen (Beispiel: Benötigt ein Powerlifter dieselbe Schulterbeweglichkeit wie ein Schwimmer?).
Das Grundrezept: Eine Kette ist so stark wie das schwächste Glied. Deshalb sollten bei einem ganzheitlichen, funktionalen Beweglichkeitstraining möglichst viele (Faszien-)Gewebestrukturen mit einbezogen werden. „Zwickt“ es an einer Stelle, leidet die komplette Übungsausführung – Leistungseinbußen, Kompensationsverhalten und Fehlbelastung bis zur Verletzungsgefahr sind die Folge.
Welche Vorteile bringen Beweglichkeitstraining?
Die Vorteile kurz auf den Punkt gebracht:
- Leistungssteigerung: Ein beweglicher Körper schafft eine höhere „Range of Motion“ (Bewegungsamplitude/zurückgelegter Weg bei einer Übung) beim Training.
Folgen: Eine bessere Übungsausführung und geringere Verletzungsgefahr (s. Infokasten ROM).
- Wohlbefinden und Regeneration: Myofasziales Stretching fördert sowohl das Wohlbefinden und somit die Entspannung, als auch die Regeneration durch das Lösen („Release“) vonDysfunktionen im Gewebe.
- Übertrag in den Alltag: Schmerzfreie Beweglichkeit fördert die Lebensqualität – vom Schulterblick im Auto bis zum Haare kämmen, Überkopf-Arbeiten oder Schuhe binden ist das Thema omnipräsent.
Das Körpergefühl und die Körperhaltung verbessern sich, Fehlspannungen können behoben oder präventiv vermieden werden (vgl. Schulter-Nacken -> Spannungskopfschmerz; runner’s oder jumper’s knee, Piriformis-Syndrom, Bandscheibenvorfall ...).
- Nachhaltiger Trainingserfolg und Gelenksschadenprävention durch eine ausbalancierte Muskelspannung (statt sog. „Dysbalancen“) und folglich eine gute Biomechanik (immereinhergehend mit der Kräftigung der Muskulatur).
Praxisbeispiel: Range of Motion (ROM)
Jeder von uns kennt sie: Die „Discopumper“*, die in kleinen, schnellen Bewegungen z.B. an der Brustpresse oder beim Bankdrücken ihre Gewichte für die schnelle Hypertrophie stemmen. Spätestens bei koordinativ anspruchsvolleren, mehrgelenkigen Übungen (wie z.B. bei Kniebeugen oder Kreuzheben) stößt man durch eine solche Trainingsweise schnell mal an seine Leistungsgrenze und verpulvert zudem Potenzial, weil die geforderten Muskeln ja nur zur Hälfte oder einem noch geringeren Anteil in ihrer (Dehnungsspannungs-)Länge trainiert werden. Einige Hilfsmuskeln, die sich erst später (z.B. bei tieferer Kniebeuge) zuschalten, werden dabei kaum angesprochen und verlernen nahezu ihre u.a. wichtige, stabilisierende Funktion.
Die Gelenke werden nur in geringem Bewegungsausmaß gefordert, wodurch die o.g. Vorteile zunichte gemacht werden. Erhöht man nun das Gewicht, weil die „großen“ Hauptmuskeln als Agonisten ja dafür trainiert sind, wird die Ausführung unsauber, man beginnt zu „schlingern“ und das Verletzungsrisiko steigt enorm. Ziel sollte also erst eine qualitativ saubere Ausführung sein, welche u.a. durch Beweglichkeitstraining und die richtige Übungsauswahl unterstützt werden können, bis die Gewichte erhöht werden sollten.
Wann, wie oft und wie lange?
Täglich. Im Gegensatz zur Trainingsplanung, wie z.B. bei Hypertrophie oder Maximalkraft, kann ein Beweglichkeitstraining bedenkenlos täglich durchgeführt werden.
Vor dem Training > Hier empiehlt sich grundsätzlich zum Warm Up ein kurzes, dynamisches Dehnen zur Vorbereitung auf die Folgebelastung.
Beim Training > können Übungs- und Satzpausen aktiv für kleine Mobility-Übungen genutzt werden,um die nächste Übung biomechanisch gut voraktiviert durchzuführen (vgl. ROM).
Nach dem Training > Grundsätzlich sollte, ggf. in Absprache mit deinem Trainer, differenziertentschieden werden, wann du welche Muskelgruppen auch statisch über (z.B. 3x) 40 Sekunden dehnen solltest. Da durch den (richtig gewählten) vorangehenden Trainingsreiz i.d.R. Strukturen im Muskel (die Z-Scheiben innerhalb der Sarkomere) reißen und dies Muskelkater begünstigt, ist es fraglich, ob es regenerationsfördernd wäre, diese anschließend noch exzessiv zu dehnen. Deshalb findet ein eigenes, regelmäßiges Dehn- und Beweglichkeitstraining durchaus seine Berechtigung, was auch in eigenen Kursen angeboten wird. Sieh dir auch gerne dazu unser Kursangebot an!
Fazit: Grundsätzlich machst du schon mal alles richtig und nichts falsch, wenn du ein regelmäßiges Beweglichkeitstraining in deinen (Trainings-)Alltag mit einbaust. Der Vorteil ist: Du benötigst kaum bis keine Hilfsmittel. Welche Methode(n) oder Kurse du für dich wählst, ist teilweise Geschmackssache (Yoga ist hier mehr als nur Dehnen, sondern ein Produkt verschiedener Zielsetzungen im Vergleich zu den ausgeschriebenen Mobility-Kurse) und hängt zudem von deinem zeitlichen Verfügungsrahmen und deiner Motivation, aber auch deinen sportartspezifischen und individuellen (körperlichen) Anforderungen und Gegebenheiten ab. Diverse Tests wie der FMS (Functional Movement Screen), Muskelfunktionstests oder eine biomechanische Analyse bei der Übungsausführung direkt (vgl. Starrett, 2016) durch einen gutgeschulten Trainer können wertvolle Aufschlüsse für eine Trainings(plan)-Optimierung liefern, um an Defiziten verstärkt zu arbeiten und auch die koordinativen Fähigkeiten zu steigern.
Sprich uns bei Fragen gerne an!
Autorin: Corinna Storr Indoor Cycling@37° Celsius, Sporttherapeutin
*anlässlich des Vatertags/Men’s Day wird hier von Männern gesprochen und als Beispiel Kraftsport herangezogen. Natürlich ist der Artikel für jeden gedacht und auch jede Sportart!
Willst du mehr erfahren? -> Linktipps und weiterführende Literatur:
Ein guter Beitrag zur Range of Motion:https://quantumleapfitness.de/range-of-motion/
Eine kleine Übungsauswahl und weitere Beiträge:
https://www.menshealth.de/krafttraining/mobility-training-das-sind-die-wichtigsten-mobility-uebungen-fuer-kraftsportler/
https://www.menshealth.de/krafttraining/darum-ist-stretching-und-richtiges-dehnen-so-wichtig/
Literatur für die Tiefe: Starrett, K. (2016). Werde ein geschmeidiger Leopard. Die sportliche Leistung verbessern, Verletzungen vermeiden und Schmerzen lindern (1. Aufl.). München: riva.